(06.12.16) Ausgerechnet zum Nikolaustag hat uns die OECD neue PISA-Ergebnissen beschert. Platz 16 für Deutschland – ein Sandwich-Ergebnis im oberen Tabellendrittel zwischen Großbritannien und den Niederlanden. Im Vergleich zu den jüngsten Platzierungen beim Eurovision Song Contest gibt es da erst einmal nichts zu meckern. Im Gegenteil: Die Streber-Schweiz liegt auf Platz 18. Ätsch.
Was mich persönlich mal interessieren würde: Wie schneiden eigentlich die Kinder aus Pisa bei PISA ab? Aber das erfahren wir nicht. Das ist ebenso geheim wie der eigentliche Zweck der Vergleichsstudie. Denn längst geht es um mehr als den oberflächlichen Schulerfolg. Um viel mehr. Es geht um das Leben unserer Kinder.
Quatsch? Von wegen. PISA, TIMMS, VERA und wie die Vergleichstests an unseren Schulen alle heißen, haben ein streng geheimes Ziel. Es geht um eine zunächst nationale, bald aber auch internationale Auswahlliste für die selbstfahrenden Autos der Zukunft.
Die sind zwar ungemein praktisch, weil sie bei alkoholfreier Programmierung keine roten Ampeln überfahren, sich an Tempolimits halten und den Vordermann auf der A44 kurz vor Kassel bei Tempo 230 nicht zärtlich touchieren. Aber was passiert, wenn sich so ein denkendes Auto in eine gefährliche Verkehrssituation begibt. Wenn es sich Gedanken darüber machen muss, wen es in der nächsten Hundertstelsekunde vor dem Kühler grillt.
Rammt es den Motorradfahrer, der die Vorfahrt missachtet hat? Weicht es aus in die Rentnergruppe, die im Straßencafé Schwarzwälderkirsch vertilgt? Oder entscheidet sich der Bordcomputer für die Knirpse, die auf der anderen Straßenseite zufällig des Schulweges kommen?
Der Mensch am Steuer ist in solchen Fragen spontan gestrickt und entscheidet sich mal so und mal so. Aber ein Computer gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Deshalb überlegen ganz viele Programmierer, noch viel mehr Juristen und sogar ein paar Ethiker überall auf der Welt, was sie den selbstfahrenden Autos an Maschinenethik mit auf den Highway to hell geben sollen. In Deutschland hat sich in diesem Jahr sogar der Deutsche Verkehrssicherheitsrat damit beschäftigt.
Doch wie man die Sache auch dreht und einparkt: Am Ende braucht der Bordcomputer eine klare Vorgabe – also Algorithmen, die es ihm erlauben, blitzgescheit das kleinere Übel ausrechnen. Das Beispiel mit den Grundschülern und den Rentnern ist natürlich eine Fingerübung. Da liegt die Lösung schon rein volkswirtschaftlich klar auf der Hand.
Aber was ist Sache, wenn sich unser selbstfahrender Freund zwischen Schülern links auf dem Gehweg und Schülern rechts auf dem Bürgersteig entscheiden muss? Und da sind wir wieder bei PISA und Co.: Der Schlauere gewinnt. Oder die Schlauere. Denn nach Recherchen von Satzverstand liegt im Giftschrank des Bundesverkehrsministeriums der Entwurf für eine Verordnung, nach der Schülerinnen und Schüler in Deutschland ab 2025 ein digitales Armband tragen müssen, das die jeweils aktuellen Zeugnisnoten speichert.
„Es gilt zu verhindern, dass das selbstfahrende Auto der Zukunft aussichtsreiche Steuerzahler oder gar einen künftigen deutschen Nobelpreisträger opfert“, heißt es in der Begründung der zuständigen Experten. Und: „Ein gutes Abschneiden bei PISA sichert die die Konkurrenz- und Überlebensfähigkeit deutscher Kinder im internationalen Straßenverkehr.“ Starker Tobak. Aber es braucht halt eindeutige Kriterien.
Bisher habe ich mich über Eltern lustig gemacht, die ihre Kinder von morgens bis abends triezen, weil das Halbjahreszeugnis im dritten Schuljahr über das ganze weitere Leben entscheidet. Mit meiner lockeren Schuleinstellung ist es jetzt vorbei. Denn spätestens in neun Jahren entscheidet das Zeugnis über Leben und Sterben im Straßenverkehr.
Für alle, die vor 2025 eingeschult wurden und werden, sollen als Basis für die Auto-Algorithmen die Physiknote auf dem Abschlusszeugnis sowie der Mittelwert der Einkommensteuerbeiträge der letzten zehn Jahre herangezogen werden. Ich bin sicher, dass viele Steuerhinterzieher, die sich im Moment selbst anzeigen, Wind von der geplanten Verordnung bekommen haben.
Seit ich dieses Geheimpapier kenne, setze ich meine Payback-Karte nur noch ein, wenn ich regionales Obst, Biogemüse oder Vollkornbrot kaufe. Sollen doch diejenigen von der künstlichen Intelligenz überrollt werden, die sich mit Chips, Rotwein oder kalorienschweren Donauwellen an die Kasse schieben.
(© Satzverstand 2016)