Orkantief „Thomas“ und der Ursprung des Karnevals

orkantief_thomas(23.02.17) Früher war nicht alles besser. Aber manches. Zum Beispiel, dass die Meteorologen Tiefausläufer mit Frauen- und ein Hoch mit Männernamen bezeichnet haben. Undank des Bruchs mit dieser liebenswerten Wetterfroschtradition komme ich gerade in den unangenehmen Genuss, meinem guten Vornamen für ein übellauniges Orkantief mit Alaaf-Allergie hergeben zu müssen (siehe Abbildung).

Inzwischen erreichen mich sogar Anrufe und Mails, die das Wüten von „Thomas“ mit meiner westostwestfälischen Herkunft in Verbindung bringen. Tatsächlich werde ich mehr oder weniger offen als Sympathisant dieses karnevalskritischen Orkans verleumdet.

Dazu nehme ich wie folgt Stellung:

Als jemand, der Tiefausläufern grundsätzlich kritisch gegenübersteht, distanziere ich mich in aller Deutlichkeit vom inakzeptablen Verhalten des Orkantiefs „Thomas“. Eine solche Wetterlage hat meinen Namen nicht verdient.

Ausdrücklich weise ich jedoch jedweden Versuch zurück, eine Verbindung zwischen dem schändlichen Stürmen des Orkantiefs und einer angeblichen Karnevalsmuffeligkeit der Westfalen herzustellen.


Zur weiteren Erläuterung:

Ganz Westfalen ist seit Jahrtausenden die wahre Hochburg des närrischen Treibens. Anders als die Rheinländer haben wir nicht erst auf Christi Geburt gewartet, um den Aschermittwoch einzuläuten.

Hermann der Cherusker höchstselbst entstammte einer uralten Karnevalsprinzendynastie. Er wurde am 11.11. im Jahr 2 vor Christus auf der Iburg bei Driburg als Arminius I. für sieben Jahre zum Prinzen der KCMB Gelbschwarzblau* gewählt.

alternativefaktenZum Finale seiner Regentschaft 9 n. Chr. wollte er noch mal so richtig „die Wildsau rauslassen“ und organisierte einen spektakulären Geisterzug durch den Teutoburger Wald. Unterwegs traf die Germanentruppe auf eine Reisegruppe römischer Rheinländer, die sich als ausgesprochen ungesellig erwiesen. Ein Wort gab das andere. Das Ende ist bekannt.

Seit der Klopperei mit Varus gilt Hermanns Teuto-Tour als erster Karnevalszug durch die westfälische Gemeinde. Die überlebenden Römer haben sich stickum ins Linksrheinische zurückgezogen und dann in Colonia den Geisterzug als eigene Idee ausgegeben.

Westfalenland aber ist in der Tradition von Prinz Arminius I. an den närrischen Tagen noch immer sprichwörtlich außer Rand und Band. Und da wird nicht nur – wie es Rüdiger Hoffmann leichtfertig behauptet – „auch mal mit einer Luftschlange gearbeitet“. Die spektakulären Rosenmontagszüge in Warstein, Delbrück, Scharmede, Menden, Beckum, Werl, Wickede oder Welver sind längst Legende. Mitunter sind sogar Musikkapellen dabei. Und die Bergstadt Rüthen gilt Kennern schon lange als das Rio Südwestfalens.

Bis in die 50er-Jahre hinein gab es auch in meiner Heimatstadt Geseke einen Rosenmontagszug. Leider hat sich der Verein aufgelöst, nachdem es einen großen Streit um einen kleinen Haufen Mist gab, den die Narren dem Bürgermeister vor das Rathaus gekippt hatten. Aber immerhin lassen wir keine Stadtarchive in U-Bahn-Baustellen verschwinden.

Wäre das also auch endlich geklärt. Rumskedi-Helau!


*Die traditionsreiche Karnevalsgesellschaft der Cherusker, Marser und Brukterer hat sich leider einige Jahrhunderte später von der Karnevalstradition ab- und der aufkommenden Fußballbegeisterung zugewandt. Da man für Fußball zwei Mannschaften braucht, war die Spaltung der KCMB Gelbschwarzblau in gelbschwarze Borusssen und blaue Schalker unvermeidlich. Eine Trennung, die bis heute schmerzt. Aber im Namen „Schalke“ spiegelt sich noch immer der karnevalistische Ursprung: Aus dem Ausdruck „als Schalk gehen“ wurde nach und nach der Begriff „auf Schalke gehen“.


© Satzverstand 2017

  2 comments for “Orkantief „Thomas“ und der Ursprung des Karnevals

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.