(02.02.18) Die Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Expertisen zum Klimawandel wächst. Auf der Suche nach verlässlichen Aussagen zur Klimaentwicklung setzt die westostwestfälische Universität Mönninghausen-Bönninghausen (UMöBö) jetzt auf meteorologische Kenntnisse von Erdmännchen. Im Satzverstand-Interview erläutert Forschungsleiter Prof. Erwin D. Drüggelte Einzelheiten.
Herr Prof. Drüggelte, bisher galt das Waldmurmeltier Phil als besonders verlässlicher Wetterfrosch. Warum stellen Sie das ausgerechnet am Weltmurmeltiertag in Frage?
Der Filmklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ist amüsant, liegt aber wissenschaftlich komplett daneben. Waldmurmeltiere sind perfekte Finanzmarktanalysten, aber von Meteorologie haben sie keinen Schimmer.
Warum sind Erdmännchen da besser?
Erdmännchen gelten als unvoreingenommen und unbestechlich. Sie streben in der Regel keine lukrativen Positionen in Wirtschaft und Politik an, für die sie wissenschaftliche Neutralität und persönliche Überzeugungen aufgeben müssten.
Das ist sympathisch, aber was befähigt die possierlichen Tierchen zur Klimaprognose?
Bisher hat man angenommen, dass die Tiere den Himmel bebachten, weil durch Greifvögel Gefahr droht. Tatsächlich aber verfolgen Erdmännchen sehr intensiv den Wolkenzug. Die Tiere besitzen sensible Sensoren an den Ohren, mit denen sie Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen. Aus den Daten erstellen sie Wettervorhersagen für den Familienverband. Das Wetterwissen wird von Generation zu Generation weitergegeben. Das ist ein geoklimatografischer Schatz, der auch unsere Prognosemodelle erheblich verbessern kann.
Wie wollen Sie mit den Tieren kommunizieren?
Wir arbeiten mit einer speziellen Erdmännchen-Unterart zusammen. Suricata suricatta westfalica ist vor Jahrmillionen mit der Kontinentalverschiebung nach Norden gelangt. Im lockeren Lösboden der Soester Börde finden die Tiere ähnlich ideale Siedlungsbedingungen wie in der afrikanischen Kalahari-Wüste. Die noch wenig bekannte Population im Altkreis Lippstadt umfasst inzwischen rund 1.800 Tiere in knapp 30 Clans, die leider untereinander ziemlich zerstrittenen sind.
Das erklärt noch nicht, wie Sie sich mit den Tieren verständigen…
Richtig. Wir haben es zunächst mit der Kunstsprache Esperanto versucht, die ja Biber, Dachs und Fasan ganz leidlich beherrschen. Das hat nicht geklappt. Wir haben korrekte Wetterprognosen der Erdmännchen falsch interpretiert. Bedauerlicherweise hat eine Tiefenfrostwarnung im vergangenen Juli eine vorzeitige Zuckerrübenernte in der Soester Börde ausgelöst und ziemlichen Schaden verursacht.
Und nun?
Der Zufall brachte an den Tag, dass Erdmännchen Plattdeutsch verstehen und teilweise auch sprechen. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Tiere über Jahrhunderte die Landbevölkerung bei der Feldarbeit beobachtet und belauscht haben.
Hat man sie dabei nicht entdeckt?
Vereinzelt gab es wohl Kontakte. In besseren Fällen wurden solche Begegnungen als Spökenkiekerei belächelt, in schlimmeren als Hexerei verfolgt. Als belegt gilt indes, dass die meisten westfälischen Bauernregeln auf Wetterbeobachtungen von Suricata suricatta westfalica zurückgehen. Alle unsere Projektmitarbeiter haben Platt-Intensivkurse belegt und verstehen sich jetzt prächtig mit den Erdmännchen. Bei vielen geht der Kontakt inzwischen weit über die berufliche Zusammenarbeit hinaus.
© Satzverstand Februar 2018