Patriotische Kamberkrebse gegen die Kalikosierung des Abendlandes

Kaliko, der Scherenschurke (Foto: wikipedia)

Kennen Sie den Kalikokrebs? Sicher ist er Ihnen eher unter seinem lateinischen Namen Orconectes immunis bekannt. Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Flusskrebs breitet sich gerade ziemlich dreist von Südwestdeutschland den Rhein runter nach Norden aus. Dabei rückt er dem heimischen Kamberkrebs bedrohlich auf die Schale.

Der Kalikokrebs ist ein Neozoon. Ein Kollege, der sich mit oder ohne Einfluss des sogenannten homo sapiens sapiens in einem Gebiet breitmacht, in dem er bisher nicht heimisch war. Dass heimische Tier- und Pflanzenarten durch zugereiste Neozoen (Tiere) und Neophyten (Pflanzen) unter Druck geraten, ist ein unbestrittenes Problem.

So weit so neobiotisch. Doch jetzt haben die Alternativdeutschen den fiesen Kaliko als fabelhafte Steilvorlage entdeckt. Seit ihrem Einzug in den Bundestag haben sie die GroKo mit gefühlt 2,8 Millionen kleinen und großen Bundestagsanfragen von der Arbeit abgehalten. Jetzt will die Plenarsportgruppe Gauland wissen, wie und wo sich der Kalikokrebs ausgebreitet hat und was die Regierung denn bitteschön dagegen zu tun gedenkt (Bundestagsdrucksache 19/4449 vom 21.09.18).

Denn der Flusskrebs aus dem Migrationsuntergrund frisst nicht nur frech dem heimischen Getier das Futter weg. Er vermehrt sich auch noch maßlos. Welch ein ideologisches Pech, dass Kaliko und Kalika nicht aus dem Morgenland über deutsche Grenzen ins Abendland gekrebst sind. Doch auch in Nordamerika soll es ja ansteckenden religiösen Fanatismus geben.

Trotzdem ist stündlich damit zu rechnen, dass Björn-Bernd Höcke und Lutz Bachmann gemeinsam die Gründung der PEGIDA-Untergruppe PKKdA ausrufen: Patriotische Kamberkrebse gegen die Kalikosierung des Abendlandes. Wie man hört, haben vor allem in Ostdeutschland, wo bislang trotz intensiver Suche kein Kalikokrebs gesichtet wurde, haben immer mehr Menschen Angst, nachts barfuß durch Flüsse und Bäche zu stiefeln.

Selbstverständlich wird PEGKDA brutalstmöglich aufdecken, dass Angela Merkel vor 25 Jahren mutwillig die ersten Kalikokrebse im Rhein ausgesetzt hat. Als Umweltministerin war sie damals in Bonn für das Aquarium von Helmut Kohl zuständig. Kurz nach den ersten Zusammenstößen zwischen Kamber-Rettern und Kaliko-Block wird Horst Seehofer den Fremdkrebs zum Vater aller Probleme ernennen, um die CSU in einem letzten Kraftakt über die 30-Prozent-Marke zu hieven.

Damit schickt der Scheren-Schurke sich an, Gevatter Isegrimm von Platz 1 der Problembär-Liste zu verdrängen. Doch nicht mit Lindners Leuten! Die Liberalen im Bundestag liefern sich sei Monaten ein Wolf-an-Wolf-Anfragerennen mit den Braunkäppchen. In der jüngsten Anfrage wollte die FDP-Fraktion wissen, ob die Bundesregierung nicht auch eine Zweitmeinung bei der Wolfsgenetik für angebracht hält (Bundestagsdrucksache 19/4296 vom 12.09.18). Die Regierung hat das zwischenzeitlich so umfassend wie nötig beantwortet: „Nein.“

Es kann ja im Bundestag nicht immer nur um sichere Renten, soziale Gerechtigkeit, ums Wetter oder Bildungsgedöns gehen.


© Satzverstand, 01. Oktober 2018

 

Update 08.11.18:

Inzwischen hat die Bundesregierung der AfD ausführlich geantwortet. „Zur Invasivitätsbewertung des Kalikokrebses besteht kein Forschungsbedarf“, heißt es jedoch kaltherzig ganz am Ende von Bundestagsdrucksache 19/4449. Allerdings muss die Regierung einräumen, dass der Kalikokrebs im Oberrheintal „insbesondere Arten des Makrozoobenthos limnischer Stillgewässer gefährden kann“. Also doch!

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