18 Jahre Baustelle! Und kein Ende abzusehen. Die Fertigstellung der Schlafzimmer-Fußleistenumrandung der Familie R. in A.-O. bei B. verzögert sich voraussichtlich um ein weiteres Jahr. Das geht aus dem jetzt bekannt gewordenen elften Zwischenbericht des Projektleiters hervor. Längst stellt das Fußleistendesaster den Zeitverzug bei „Stuttgart 21“ in den Schatten.
Auch die Kosten laufen immer weiter aus dem Ruder. Statt der bei Baubeginn im Herbst 2005 veranschlagten Instandsetzungssume von 19,99 Euro liegt die Finanzplanung inzwischen bei rund 49,56 Euro – auch inflationsbereinigt eine explodierende Verzigfachung.
Bei der Auftraggeberin schwindet die Hoffnung auf Fertigstellung. „Dabei fehlt doch nur ein 2,5 Zentimeter schmales Leistenstück. Das ist doch in ein paar Minuten gemacht“, berichtet sie verzweifelt. „Er hat gesagt: Ich kümmere mich darum!“
Der beim Einzug dank exzellenter Expertise mit der Projektleitung beaufragte interne Dienstleister widerspricht: „Ich habe damals klar und deutlich gesagt, dass ich mich bei Gelegenheit darum kümmere.“
Neben chronisch mangelnder Gelegenheit erschwerten unerwartete technische Schwierigkeiten die Fertigstellung. „Durch gegenläufige Neigungswinkel der eckversetzt auslaufenden Längsleisten haben sich die ohnehin anspruchsvollen Arbeiten mit der Gärungssäge deutlich verkompliziert“, so der Bauleiter.
Den Vorwurf der Auftraggeberin, er habe sich schlicht mehrfach verrechnet und durch fortgesetztes Versägen alle restlichen Leistenteile fahrlässig vernichtet, weist er vehement zurück: „Das weise ich vehement zurück!“
Der totale Materialverlust führte Anfag 2006 zu einer ersten mehrjährigen Stilllegung der Baustelle. Dann geriet das Projekt durch ein zwischenzeitlich geborenes Kind und dessen überraschend langwierige Aufzucht und Pflege bei allen Beteiligten vorübergehend in Vergessenheit.
Später verhinderten der erste Pisaschock, der Ausbruch des Eyjafjallajökull auf Island, Trump, eine gewisse Pandemie, steigende Materialpreise, der Brexit, der zweite Pisaschock, die Rückkehr des Friedrich Merz, die Schuldenbremse, der anhaltende Ampel-Streit, die Holzpreis-Explosion, Claus Weselsky und erst neulich der dritte Pisaschock eine spontane Wiederaufnahme der Bautätigkeit.
Zwischenzeitlich hing die nachbestellte Fußleiste wochenlang auf einem im Suezkanal havarierten Containerschiff fest. Dann gab es seitens der UNESCO kurzzeitig Überlegungen, die Fußleistenlücke als Weltkulturerbe in die Liste ewiger Baustellen aufzunehmen.
Nach Angaben des Projektleiters ist das passende Teilstück neulich im heimischen Baumarkt eingetroffen. Jetzt müsse er aber erst die Gärung neu berechnen: „Durch den Klimawandel haben sich die Neigungswinkel in den vergangenen 18 Jahren um 1,5 Grad verändert. Da muss ich praktisch bei Null anfangen.“
Die Auftraggeberin hat jetzt einen externen Dienstleister damit beauftragt, in die Biedermeier-Kommode rückseitig einen Winkel einzuarbeiten, der es erlaubt, die offene Fußleistenwunde sichttechnisch exakt zu schließen. Der Fachbetrieb hat sich das Projekt notiert und will eine erfahrene Mitarbeiterin vorbeischicken – bei Gelegenheit.
© Satzverstand – 13. Dezember 2023
Nach Redaktionsschluss erreichte uns eine aktuelle Stellungnahme des Projektleiters. Darin heißt es, er habe sich die akkurate Ausführung des Fußleisten-Lückenschlusses unwiderruflich als Neujahrsvorsatz für 2024 notiert. Dafür verzichte er auf seinen ursprünglichen guten Vorsatz, sich zugunsten der klammen Bundeskasse das Rauchen anzugewöhnen.