Von Abgastests und Allgemeinbildung als Hobby

(29.01.18) Unangenehm, diese Sache mit den Dieselabgasversuchen. Auch, dass es ausgerechnet zum Holocaustgedenktag 27. Januar in die Schlagzeilen geraten ist. Doch das ist gewiss nur ein unglücklicher Zufall. So etwas passiert halt leicht in einem Land, das einiges auf dem Kerbholz hat.

Aber muss man deshalb gleich wieder alles schlechtschreiben? Es muss doch endlich mal Schluss sein mit der Kritik an den deutschen Autobauern. Bei den Dieselgipfeltribunalen I und II haben die Hersteller im Herbst 2017 ihre brutale Strafe bekommen und akzeptiert. Obwohl ja nur ein einzelner Mitarbeiter an allem schuld war.

Trotzdem haben sich die Chefs von Daimler, BWM und VW öffentlich und in aller Form bei allen entschuldigt, die sie jahrelang teuer für dumm verkauft und hochwertig bedieselt haben. Auch für die Deutschen unter den Opfern haben die Konzerne inzwischen Abermilliarden in einen großzügigen Entschädigungsfonds eingezahlt.

Daran können Sie sich nicht erinnern? Da sehen Sie mal, wie lange das alles schon zurückliegt. Dafür kann das Ausland doch die Urenkel von Gottlieb Daimler, Berta Benz und Rudof Diesel nicht mehr verantwortlich machen. Es ist hohe Zeit für einen Schlussstrich.

Auch die Vorwürfe gegen die beteiligten Wissenschaftler und Mediziner sind haltlos überzogen. Würden Sie als Toxikologe Böses ahnen, wenn eine Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) um ein paar harmlose Dieselatemübungen mit Probanden bittet, die sich gerne ein paar Euros für Zigaretten, Alkohol oder die private Altersvorsorge hinzuverdienen möchten? Schließlich hat ja sogar eine Ethikkommission die Menschenversuche genehmigt.

Generell haben sich auch in diesem Fall alle Beteiligten an eine Empfehlung von Großratgeber Rolf Dobelli gehalten. Unter der Überschrift „Wer sein eigenes Rennen fährt, gewinnt“ erläutert der Klugschweizer in Kapitel 45 seines Buches „Die Kunst des klugen Lebens“, dass Allgemeinwissen heute allenfalls zum Hobby taugt: „Der `Winner takes all´-Effekt spielt für Sie, wenn Sie in Ihrer Nische der oder die Beste sind, und zwar weltweit. Ist das nicht der Fall, müssen Sie sich weiter spezialisieren. Sie müssen Ihr eigenes Rennen lancieren, um dann darin zum Sieg zu fahren.“

Sollte Dobellis Fachidioten-Hymne ironisch gemeint sein? Dann hat er es zumindest perfekt vor denen versteckt, die in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft längst nur noch ihre eigenen Rennen fahren.

Abschließend ein „Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen-dürfen“-Exkurs: Auch die Menschenversuche in der „dunklen Zeit“ waren selbstverständlich alle genehmigt. Das musste die geschäftsführende Bundesregierung jüngst kleinlaut in der Antwort auf eine harsche Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zugeben. Wenn das damals illegal gewesen wäre, hätten die beteiligten Mediziner ja danach auch nicht weiterarbeiten und ihre Menschenversuchsergebnisse für die persönliche Karriere nutzen dürfen. Absurde Vorstellung.


© Satzverstand Januar 2018

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