Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mischt mal wieder das Gesundheitswesen auf. Jetzt will er der Forschung pauschal alle Gesundheitsdaten der Patienten zur Verfügung stellen. Damit beißt er bei Ulrich Kelber auf Granit. Der Bundesdatenschutzbeauftragte lehnt eine „Blankovollmacht“ für das Nutzen persönlicher Daten ab.
Für das Magazin „Gesundheit + Gesellschaft“ (G+G) habe ich mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten in Bonn gesprochen. Kelber spricht sich dafür aus, das aus seiner Sicht unbedingte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung über die eigenen Daten mit der Forschungsfreiheit konstruktiv in Einklang zu bringen. Dazu kann er sich zum Beispiel datenschutzkonforme Clouddienste oder eine Daten-Treuhänderschaft vorstellen.
In der entsprechenden Passage des G+G-Interviews zum Thema Verwendung von Gesundheitsdaten heißt es:
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Wissenschaftler fürchten, dass restriktive Datenschutzbestimmungen Forschung erschweren. Was sagen Sie denen?
Kelber: Die informationelle Selbstbestimmung über die eigenen Daten ist ein Grundrecht. Die Forschungsfreiheit allerdings auch. Das ist miteinander in Einklang zu bringen. Ich bin der Meinung, dass es sogar eine gewisse ethische Verpflichtung gibt, bestimmte Daten aus dem Gesundheitswesen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung und für neue Erkenntnisse zu verwenden. Mit den Registern gibt es auch im Gesundheitswesen schon funktionierende Beispiele für das Zusammenführen von anonymisierten oder pseudonymisierten Daten. Künftig könnten Gesundheitsdaten auch bei datenschutzkonformen Clouddiensten liegen. Forschungseinrichtungen könnten dann Algorithmen liefern, die auf der Basis der Daten „trainieren“ und dann an die Entwickler zurückgegeben werden. Zu entsprechenden Konzepten wird sich die Datenethikkommission der Bundesregierung in ihrem neuen Bericht äußern.
In der Diskussion geht es vor allem um die Zweckbindung.
Kelber: Die Zweckbindung ist ein wesentlicher Grundsatz. Man kann natürlich den Zweck weiter fassen, wenn man das von vornherein erläutert und der Patient dann informiert und freiwillig zustimmt. Ich bin aber skeptisch, was Konzepte angeht, die eine Art Blankovollmacht „für die Forschung“ beinhalten. Denkbar ist eine dynamische Einwilligung, bei der immer wieder Kontakt mit dem Patienten aufgenommen wird. Es gibt aber Überlegungen in Richtung Daten-Treuhänderschaft.
Was verstehen Sie darunter?
Kelber: Als Patient bin ich bereit, meine Daten zur Verfügung zu stellen. Etwa für die klinische Forschung, aber nicht für einen Pharmahersteller. Ich möchte jedoch, dass ein Spezialist in meinem Interesse entsprechende Anfragen prüft und für mich im Blick behält, wer meine Daten gerade in welcher Form verwendet.
Wer könnte ein solcher Daten-Treuhänder sein?
Kelber: Das könnten beispielsweise Stiftungen oder gemeinnützige Einrichtungen sein, in deren Beiräten vertrauenswürdige Organisationen vertreten sind und die auch einen starken Datenschutz-Beirat haben. Auf jeden Fall müssen sie einer strengen Zertifizierung unterliegen. Wenn Treuhänder eine große Menge Daten haben, könnten Forscher darauf ihre Algorithmen laufen lassen, ohne selbst Zugriff auf die Daten zu haben. Es gibt zahlreiche neue technische Möglichkeiten. Ich wehre mich gegen eine 08/15-Informatik, die Datenschützer als Bremser hinstellt. Fortschritt, der Datenschutz von Anfang an einschließt, wird sich auf dem Markt sogar zum Wettbewerbsvorteil entwickeln.
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