Das Küchenrollenkartell

portrait_sw_toro(16.11.16) Sie haben sicher ebenso atemlos wie ich das traurige Endspiel um Kaiser´s Tengelmann verfolgt. EDEKA und REWE teilen sich die Beute. In der ganzen Fusionsgeschichte ist leider ein wesentlicher Aspekt komplett unter den Tisch gefallen: Die Küchenrollen-Preisfrage. Durch das Komplott der Handelsriesen verschärft sich radikal die verbraucherfeindliche Kartellbildung in diesem haushaltstechnisch so sensiblen Versorgungssektor. Lesen Sie deshalb unbedingt meinen „Offen Brief“ an den Präsidenten des Bundeskartellamtes:

 

Sehr geehrter Herr Mundt,

Sie sind in Bonn geboren, Sie leben und arbeiten jetzt wieder in Bonn. Wir kaufen vermutlich in den gleichen Läden unsere Küchenrollen. Ich meine, ich hätte Sie sogar neulich vor den Fischstäbchen bei Aldi gesehen. Egal. Es geht ja um die Küchenrolle.

Also: Seit die Europäische Union das Auskochen von Küchenlappen bei 90 Grad verboten hat, um gesundheitsgefährdende Verwechslungen mit Hühner- oder Nudelsuppe zu bannen, ist uns die Küchenrolle als alternativloser Begleiter durch den Schlabberalltag ans Herz gewachsen. Sie gehört gewissermaßen zu den Grundnahrungsmitteln. Erst neulich hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziére im Rahmen seiner Katastrophenfallbevorratungsstrategie dazu aufgerufen, neben Energiesparlampen auch mindestens einen Jahresbedarf an Küchenpapier zu bunkern.

Da Sie, Herr Präsident, sehr viel mit Zement-, LKW-, Benzin- und Kaffeekartellen zu tun haben, ist es vermutlich Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass sich im Küchenrollen-Segment Preisabsprachen unerhörten Ausmaßes entwickelt haben. Seit meiner Elternzeit, in der ich – nebenbei bemerkt – den Einkauf der Familie grundlegend modernisiert und am bekannten Lohse-Modell ausgerichtet habe, beobachte ich aufmerksam die Preisentwicklung bei Küchenrollen.

Dabei gilt es das Augenmerk auf den Einzelblattpreis zu richten. Denn natürlich sind die Hersteller nicht so dumm, die Doppelrolle, die Vierfachpackung oder die Familienpackung mit acht Rollen zu identischen Preisen ins Regal zu schichten. Die Preisabsprachen werden durch ein ausgeklügeltes System wechselnder Blattzahlvariationen verdeckt. Unvorbereitete Einkäufer/innen greifen arglos zur scheinbar günstigen Rolle, um zu Hause festzustellen, dass bereits nach zehn Blatt Saugschluss ist.

Um Sie nicht zu lange von Ihrer Jagd auf Kartellsünder abzuhalten: Nach meiner evidenzbasierten und durch unabhängige Nachbarinnen bestätigten Küchenrollen-Reihenuntersuchung ergibt sich aktuell ein statistischer Preiskartellpreis von 0,666666666… Cent pro Blatt. Besonders Perfide: Das Küchenrollenkartell funktioniert über Kontinente hinweg. „Down Under“ bei Aldi Australien kostete ein Küchenrollenblatt am 16. November 2016 um 14.30 Uhr (Ortszeit)… na? … genau: 0,9466 australische Dollar. Umgerechnet 0,6666666… Eurocent.

Übernehmen Sie, Herr Präsident!

 

(© Satzverstand)